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Wie Blinde Pfützen umschiffen

Zugegeben, manchmal passiert es doch und man stampft voll rein. Wenn man unaufmerksam ist oder gerade auf etwas anderes achtet, latscht man mitten durch ’ne Pfütze. Wie die, die sehen können, auch.

Aber Sehende haben einen ziemlich großen Nachteil: Keiner warnt sie oder bietet sich an, sie drumherum zu führen. „Pfütze“, rufen die Jogger manchmal im Vorbeilaufen. Oder von den Bänken brüllt wer: „Vorsicht, gleich kommt ’ne große Pfütze!“ „Darf ich Sie an der Pfütze vorbeiführen?“, sagen Spaziergänger. Und Leute, die morgens zur Arbeit müssen, geben mir den Tipp, ganz nach links oder rechts auszuweichen. Blinde sind in dieser Hinsicht ausgesprochen privilegiert.

Mit dem weißen Langstock kann man Pfützen, vorausgesetzt, sie sind tief genug, ganz gut erfassen. Allerdings muss man dann recht langsam laufen. Durch die zwei Prozent Sehkraft, die mir auf dem linken Auge geblieben sind, kann ich Pfützen bei günstigem Lichteinfall wahrnehmen, weil sie entweder aufgrund der Reflexion glitzern oder sehr viel dunkler als ihre Umgebung sind, aber kein Schatten von irgendetwas sein können. (Ob ich auf ein Hindernis oder auf einen riesigen Schatten zusteuere, kann ich übrigens nicht unterscheiden. Da bleibt mir nur der Stock.)

Wege, die Blinde sehr oft oder sogar täglich gehen, sind für sie auch pfützentechnisch erschlossen. An welcher Stelle im Park nach Regentagen die Ozeane und Schlammbäder lauern, weiß ich mittlerweile recht genau. Auch, wohin ich dann ausweichen kann, ohne völlig die Orientierung zu verlieren. Das ist Erfahrungswissen, dass man durch learning by doing erwirbt. Anders gesagt: Nasse Füße sind zeitweise unvermeidlich.