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Wer entscheidet, was antisemitisch ist? Die IHRA gibt ausgezeichnete Orientierung!

Es liegt weder im Auge des Betrachters noch entscheiden Großzügigkeit oder Kleinlichkeit von Juden und Nichtjuden darüber, was antisemitisch ist und was nicht. In den meisten Fällen ist Antisemitismus objektivierbar. Das ist keine Frage der Perspektive, keine der Identität und keine der Intention. Per Meinungsabfrage durch Journalisten die Sache mit dem Antisemitismus entscheiden zu wollen, erzeugt Stimmungen, führt aber ebenso wenig zur Klärung, ob etwas antisemitisch ist oder nicht, wie ein Mehrheitsbeschluss oder eine Podiumsdiskussion, ein workshop oder eine Debatte. Der Bundestagsbeschluss zur antisemitischen Israel-Boykott-Kampagne BDS erfolgte AUF GRUNDLAGE der IHRA-Arbeitsdefinition zum Antisemitismus und nicht nach bloßem Gutdünken der Parlamentarier.

Seit Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 ist Antizionismus immer auch antisemitisch. Zwangsläufig. Denn es geht um die Existenz und Existenzberechtigung des jüdischen Staates. Zu sagen, etwas sei antiisraelisch, aber nicht antisemitisch, wie in den letzten Wochen gelegentlich in Medien zu hören und zu lesen war, ist Nonsens! https://www.mena-watch.com/antisemitismus-auf-der-documenta-schlecht-beraten/ Wenn eine Äußerung oder Darstellung antiisraelisch ist, dann ist sie immer auch antizionistisch und damit antisemitisch. Es gibt keine legitime antiisraelische = antizionistische Kritik. Man kann die Regierungspolitik der demokratisch legitimierten israelischen Regierung kritisieren – man kann, wenn man kann, denn dazu gehört Faktenwissen -, aber es ist unmöglich, pauschal Israel als Israel zu kritisieren, ohne Antisemitismus zu ventilieren.

Die Arbeitsdefinition der Internationalen Holocaust Remembrance Alliance = IHRA zum Antisemitismus folgt mit geringfügigen Änderungen derjenigen der europäischen Beobachtungsstelle zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit = EUMC. Nur sind an der IHRA-Definition auch außereuropäische Staaten beteiligt gewesen. Nach beiden Definitionen ist die Täter-Opfer-Umkehr und das auf ihr beruhende Gleichsetzen bzw. Assoziieren beispielsweise der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) mit der deutschen Wehrmacht, zu welcher die Legion Condor gehörte, die den Ort Guernica im Spanischen Bürgerkrieg in Schutt und Asche legte, eindeutig antisemitisch.

Der Angriff auf die IHRA-Arbeitsdefinition unter dem euphemistischen Titel „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ hatte nur ein Ziel: arabische Palästinenser „per se“ vom Antisemitismus freizusprechen – schließlich gibt es einen handfesten Konflikt – und mit ihnen all diejenigen – und das scheint mir der Dreh des absurden Unternehmens gewesen zu sein -, die für arabische Palästinenser Partei ergreifen. Es geht dabei übrigens überhaupt nicht um Palästinenser, weder in erster Linie noch in zweiter. Um linke Nichtjuden kreist der ganze Spaß im Kern. Dass sich dabei autochthone deutsche Nichtjuden mit ihren mindestens zweideutigen Gedanken- und Gefühlswelten gern hinter Juden verstecken, die aus welchen Gründen auch immer (Opportunismus, progressiv-sein-wollen, als neue Hannah-Arendt-wahrgenommen-werden-wollen) dabei mitspielen, ist eine alte Nummer.

Da der Wortlaut der beiden Arbeitsdefinitionen von EUMC und IHRA bereits in wikipedia zu finden ist, kopiere ich sie hier einfach unkommentiert ein:
EUMC = „Antisemitismus ist ein gegen jüdische oder nichtjüdische Individuen, ihr Eigentum, ihre Institutionen oder den Staat Israel gerichteter „Judenhass“. Er „klagt Juden häufig der Verschwörung zum Schaden der Menschheit an und wird oft benutzt, um Jüdinnen und Juden dafür verantwortlich zu machen, ‚wenn etwas falsch läuft‘.“ Er drücke sich in Worten, Texten, Bildern und Taten aus und verwende dazu „unheilvolle Stereotypen und negative Charakterzüge“, etwa:

  • Aufrufe zum Töten oder Schädigen von Juden im Namen einer radikalen Ideologie oder extremistischen religiösen Sicht,
  • verlogene, entmenschlichende, dämonisierende oder stereotype Behauptungen über Juden oder die kollektive Macht von Juden, etwa eines Weltjudentums oder jüdischer Kontrolle von Medien, Regierungen usw.,
  • Juden kollektiv für reale oder vermeintliche Vergehen einzelner oder mehrerer Juden oder Nichtjuden zu beschuldigen,
  • Holocaustleugnung,
  • Juden als Kollektiv oder Israel zu beschuldigen, sie hätten den Holocaust erfunden oder dramatisiert,
  • jüdische Staatsbürger zu beschuldigen, sie seien loyaler gegenüber Israel oder vermeintlichen jüdischen Prioritäten weltweit als gegenüber ihren eigenen Staaten,
  • das Selbstbestimmungsrecht von Juden abzulehnen, etwa zu behaupten, Israel sei ein rassistisches Projekt,
  • doppelte Standards anzuwenden, also von Israel Verhalten zu fordern, das von keiner anderen demokratischen Nation erwartet wird,
  • klassisch-antisemitische Symbole und Bilder wie den Gottesmord-Vorwurf oder die Ritualmordlegende auf Israel oder Israelis anzuwenden,
  • Israels aktuelle Politik mit der Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus zu vergleichen,
  • eine Kollektivverantwortung der Juden für Israels Politik zu behaupten.

Kritik, die an Israel ähnlich wie an anderen Staaten geäußert wird, könne jedoch nicht als antisemitisch eingestuft werden.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus
sowie

IHRA = „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“[12]

Es folgen Beispiele zur Veranschaulichung:

„Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten. Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden. Antisemitismus umfasst oft die Anschuldigung, die Juden betrieben eine gegen die Menschheit gerichtete Verschwörung und seien dafür verantwortlich, dass „die Dinge nicht richtig laufen“.“[12]

Dafür nennt der Text dann elf konkrete Beispiele. Sieben davon beziehen sich auf den Staat Israel. Betont wird, dass die Definition nicht rechtsverbindlich sei, sondern antisemitische Straftaten nach den jeweils gültigen Staatsgesetzen verfolgt werden sollen.

Am 28. Januar 2005, nach zweijähriger Vorarbeit hochrangiger Fachwissenschaftler, hatte schon die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (englisch abgekürzt EUMC) diese Arbeitsdefinition beschlossen. Die sieben auf Israel bezogenen Beispiele lauten in der Vorlage:

  • die Anschuldigung, die Juden oder Israel hätten den Holocaust erfunden oder übertrieben,
  • die Anschuldigung, die Juden stünden loyaler zu Israel als zu den Staaten, deren Bürger sie sind,
  • das „Abstreiten des Rechts auf jüdische Selbstbestimmung“, etwa durch die Darstellung Israels als rassistisches Projekt,
  • die „Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird“,
  • das „Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen“, für Israel (etwa der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende),
  • „Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten“,
  • das „Bestreben, alle Juden kollektiv für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu machen“ https://de.wikipedia.org/wiki/International_Holocaust_Remembrance_Alliance