Sagt meine beste Freundin. Das stimmt. Im Großen und Ganzen einverstanden mit meinem jüngsten Blog-Eintrag, kritisiert sie daran die Undifferenziertheit meiner Darstellung sowohl der Migranten aus Syrien und dem Irak als auch Polens. Ihr Einwand trifft zu. Allerdings ging es mir um die Frage, warum Polen die ukrainischen Kriegsflüchtlinge mit offenen Armen empfängt, Einwanderer aus Syrien und dem Irak aber zurückweist. Mein Versäumnis war es, die Position nicht erwähnt zu haben, gegen die ich mich wandte: Die unsinnige Behauptung, die Ukrainer seien als ‚weiße Christen‘ und Europäer willkommen, während die Syrer und Iraker als ’nicht-weiße Muslime‘ und Nicht-Europäer zurückgewiesen würden. Das ist ideologisch verblendeter und gefährlicher Unfug, war aber in letzter Zeit verschiedentlich zu hören.
So wie es in Deutschland, Syrien, dem Irak und anderswo auf der Welt Rassisten, (Ultra)Nationalisten und religiöse Extremisten gibt, so gibt es sie auch in Polen, Tschechien und anderen osteuropäischen Staaten. Die gegenwärtige polnische Regierung hat das Rechtsstaatsprinzip verletzt und die nationalkonservative, klerikale, EU-skeptische und illiberale PiS-Partei ist alles andere als ein Ausbund an gesellschaftlichem Fortschritt, bringt absurde Gesetze auf den Weg (u. a. Holocaust-Gesetz), agitiert gegen Homosexuelle, will das Abtreibungsrecht einschränken, die Meinungsfreiheit und die Medienpluralität begrenzen. Doch die PiS-Partei kann abgewählt werden. Denn Polen ist eine liberale Demokratie, in der aufgeschlossene und aufgeweckte Menschen leben, die trotz, wegen oder gegen dergleichen öffentlich protestieren, demonstrieren, debattieren.
Während der Islamische Staat in Syrien und im Irak mordete, beging er ab August 2014 einen Völkermord an den Jesiden. Es gab gute Gründe, vor allem Jesiden, aber auch bedrohte syrische und irakische Christen nach Europa zu verbringen und ebenso dafür, Muslime aufzunehmen. Hinweise auf islamische Terroristen und Vertreter des Assad-Regimes kamen oft aus den Reihen der Migranten in den Flüchtlingsunterkünften selbst. 2018 brachte das Fernsehen des Bayerischen Rundfunks eine Reportage mit dem Titel „Nidals Liste“. Nidal ist Deutscher syrischer Herkunft und lebt seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik. Wie andere Syrerinnen und Syrer auch, für deren Fälle die Asylgesetzgebung einst geschaffen worden ist. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs ging Nidal nach Syrien, um in der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen das Assad-Regime zu kämpfen, kehrte nach Deutschland zurück und spürt seit 2015 systematisch ehemalige Mitkämpfer auf, die zu islamistischen Terrorgruppen (u. a. IS, al-Nusra) übergelaufen waren. Auch arabischsprachige Übersetzer, die für das Bundesamt für Migration und Flucht arbeiteten, warnten wiederholt vor radikalisierten jungen Männern, die seit 2015 im Strom der Migranten nach Deutschland einreisten. Es gab ferner Wissenschaftler wie Bassam Tibi, der in den 1960er Jahren als Student in die Bundesrepublik gekommen, ‚hängengeblieben‘ und Professor geworden war, oder Migrationsforscher wie Paul Collier, die detailliert all die Schwierigkeiten beschrieben, die naturgemäß mit solch großen Migrationsbewegungen verbunden sind und von denen weder die deutsche Bundesregierung noch weite Teile der bundesdeutschen Öffentlichkeit hören wollten. Diese Ignoranz war aus meiner Sicht der Grund dafür, weshalb sich die Gesellschaft spaltete. Das hätte weder die Tatsache der Migration selbst vermocht noch hätten dies die Fälle fremdenfeindlicher Attacken auf Migranten oder die digitalen Hassbotschaften gegen Journalisten gekonnt, die sich euphorisch zur Willkommenskultur bekannt hatten. Wäre ein Integrationskonzept erarbeitet worden, das diesen Namen auch verdient, unter Einbeziehung von Fachleuten wie Tibi, Kelek, Mansour, Ates, Koopmans, Lale Akgyn, Abdel-Samad und anderen, die die Probleme nicht weg- oder kleinredeten, hätte die Bundesregierung der AfD das Wasser abgraben und den Wind aus den Segeln nehmen können.
2015 habe ich die Aufnahme der Migranten aus Syrien und dem Irak noch bedingungslos befürwortet. Es war nicht die Köllner Sylvesternacht 2015/16, es waren auch nicht die Vorfälle, sexuellen Übergriffe, antisemitischen Attacken oder Frauenmorde einzelner Migranten, gar der islamistische Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 (Amri war Jahre zuvor nach Europa gekommen, weder aus Syrien noch aus dem Irak), die mich daran zweifeln ließen, dass Angela Merkels Flüchtlingspolitik tragfähig gewesen ist. Es war der Umgang der bundesdeutschen Regierung mit der Migrationsfrage, die Plan-, Kopf- und Einfallslosigkeit, die beharrliche Weigerung, Probleme wahr- und ernst zu nehmen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
Ich traue den aufmerksamen Migranten in den Flüchtlingsunterkünften, den hellhörigen Arabisch-Übersetzern, den Nidals, Tibis etc. mehr als so manchem unserer Beamten, einschließlich der aktuellen Innenministerin im Bund. Anstatt die Projekte der Mansours oder Ates zu fördern, treibt man die Migranten lieber in die Arme des politischen Islam in Gestalt der Islamverbände.
Es sollte mich nicht wundern, wenn die inzwischen erwiesenermaßen katastrophale Russland-Politik nicht die einzige „falsche Einschätzung“ bleibt. Einen Vorgeschmack bot letzten Sommer der Rückzug aus Afghanistan. Der Kampf der jetzigen Bundesinnenministerin, ließ sie verlauten, gelte dem Rechtsextremismus und der Islamfeindschaft. Dass Wladimir Putin außer der LINKEN auch die AfD, in gesamten Westen die extreme Rechte und mit Ramsan Kadyrow auch einen Islamisten förderte, weiß sie offenkundig nicht einzuordnen. Hoffen wir, dass es nicht erst noch eines weiteren islamistischen Terroranschlags bedarf , damit Nancy Faeser ihre Agenda überarbeitet. Seit hundert Jahren fordern die drei totalitären Hass-Ideologien Linksextremismus, Rechtsextremismus und Islamismus die moderne Welt einander umarmend, bekämpfend und überbietend nicht einfach nur heraus, sondern überziehen sie mit Gewalt, Massenmorden und Kriegen. Die Linke ist inzwischen so rückwärtsgewandt, regressiv und reaktionär wie es die Rechte und die Islamisten schon immer gewesen sind. Was alle drei vereint sind Identitätspolitik und der Hass auf den Westen. Anders als „Progressive“ gern glauben, gehört Identitätspolitik weder zum Westen noch ist sie mit ihm vereinbar. Sie zerstört ihn. Und dies gründlich.