Naila Chikhi und Rebecca Schönenbach vom Verein „Frauen für Freiheit“ haben im Januar 2021, fünf Jahre nach der Kölner Sylvesternacht, das Buch „Ich will frei sein, nicht mutig. Frauenstimmen gegen Gewalt“ herausgegeben https://www.amazon.de/will-frei-sein-nicht-mutig/dp/3865693288 Jetzt diskutierten sie in online-Veranstaltungen mit einigen Autorinnen über das laute feministische Schweigen nach der sexualisierten Gruppengewalt in Köln, die weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Ist es rassistisch, die Herkunft der Täter zu benennen? Wie steht es um den Feminismus in der Bundesrepublik? Wie kommt es, dass Feministinnen Rassismus gegen Frauenrechte ausspielen? Welche Rolle spielen intersektionale Ansätze im akademischen Feminismus? Schließen Feminismus und Minderheitenschutz einander aus? (hier kann man zwei der Veranstaltungen nachhören: https://www.youtube.com/watch?v=RVTVV5UxW1o&t=1025s; https://www.youtube.com/watch?v=dqTqOxUSIYk)
Informativer als Talkshows in öffentlich-rechtlichen Medien waren die Diskussionsrunden, weil es nicht darum ging, bella figura im Ping-pong konträrer Positionen zu machen. Im Zentrum standen Sachfragen, über die man unterschiedlicher Ansicht sein konnte. Ergiebiger als ein Seminar in Gender Studies waren die Veranstaltungen wiederum, weil die oft, aber nicht immer akademisch ausgebildeten Frauen aller denkbaren „Hintergründe“ keine politisch-ideologische Agenda hatten. Überdies sind die Frauen auf den verschiedensten Arbeitsfeldern unterwegs. Ihre Erfahrungen, Erlebnisse und Reflexionen erlaubten Einblicke, die Hochschulfeministinnen in der Regel nicht haben und manchmal unwirsch oder überfordert beiseiteschieben.
Dass Frauenrechte unteilbar sind, war der allen beteiligten Frauen gemeinsame Nenner. GleichBERECHTIGUNG von Männern und Frauen ist keine „westliche“ oder „östliche“ Angelegenheit, sondern eine menschenrechtlich-universelle. Deshalb war das von Netzaktivistinnen wie Kübra Gümüsay initiierte Bündnis „ausnahmslos“ seinerzeit kontraproduktiv. Es erhob ganz im Sinne des politischen Islam Rassismusvorwürfe gegen alle, die einen Zusammenhang zwischen der sexualisierten Gruppengewalt, dem konservativen Islam und der überwiegend arabischen Herkunft der Täter hergestellt hatten. Das betraf auch Frauenrechtlerinnen wie Mina Ahadi, Politologen wie Hamed Abdel-Samad oder Bassam Tibi und Schriftsteller wie Kamel Daoud.
Intersektionale Queerfeministinnen – man denke an Sabine Hark und Paula Irene Villa https://www.deutschlandfunk.de/herrschaft-durch-vorurteile-vergifteter-feminismus.1310.de.html?dram:article_id=400904 – stießen ins gleiche Horn wie das Bündnis „ausnahmslos“. Naila Chikhis aktuelles Interview mit einem „Welt“-Redakteur liest sich wie eine Antwort darauf https://www.welt.de/politik/deutschland/plus227760177/Frauenrechtlerin-Kein-Rabatt-weil-Taeter-muslimisch-gepraegt-sind.html.
Paradoxerweise schützen in Europa heute oft ausgerechnet Rechtspopulisten mit ihren Initiativen gegen islamische Verhüllung von Frauen wie Burka und Nikab Musliminnen und Muslime vor islamischen Extremisten. Das würde nicht passieren, würden liberale Demokraten ihre Aufgaben wahrnehmen und das Säkularitätsprinzip bewahren sowie Kinder- und Frauenrechte durchsetzen. Wie ähnlich Rechtsextremisten und Islamisten einander in ihrer autoritären Prägung, in ihren starren Vorstellungen von Geschlechterrollen oder in ihrer rigiden Sexualmoral sind, sollte Verfechtern linker Identitätspolitik zu denken geben. Aktuelles zur engen Verknüpfung von Schleier, Ehre und Anstand einerseits, Freizügigkeit, Verfügbarkeit und Schande andererseits konnte man ebenfalls hören: in überwiegend islamisch geprägten Ländern kursieren Plakate, auf denen in Papier gewickelte Lollys die verschleierte Frau symbolisieren, während die aufgrund des fehlenden Papiers von Fliegen heimgesuchten Lollys auf die unverschleierte Frau anspielen.
Ein spezieller „Hochschulfeminismus“ konnte entstehen, weil die Wissenschaftler, die ihn vertreten, nicht mehr empirisch arbeiten und Ideologie mit Theorie verwechseln. Die intersektionalen Ansätze – „Rasse“, „Klasse“, „Geschlecht“ überschneiden einander, weshalb die bürgerliche Frauenrechtsbewegung nicht alle Frauen repräsentierte – hatten in den 1960er Jahren, als sie entstanden, ihre Berechtigung. Afroamerikanerinnen hatten damals nicht die gleichen Rechte wie weiße Frauen. Doch in Europa gab es nach dem Zweiten Weltkrieg und gibt es bis heute zwar massiven Alltagsrassismus – zu dem auch jener der „verminderten Erwartung“ zählt -, aber keine staatlich legitimierte Ungleichbehandlung wie etwa die Rassentrennung in den USA. Minderheitenschutz und Feminismus schließen einander keinesfalls aus, so die Schlussfolgerungen, auch wenn nicht alle diskutierenden Frauen „mit Migrationshintergrund“ eine Bereicherung sein und geschützt werden wollen, weil sie in beidem Paternalismus erblicken.
Wohltuend erfrischend waren die Diskussionen, in denen sich weiß Gott nicht immer alle einig gewesen sind, weil keine Denk- und Sprechverbote sie knebelten. Von Rassismus und „Islamophobie“ war dennoch nichts zu vernehmen.