Zum Verständnis seiner Lyrik empfahl Paul Celan, sie immer aufs Neue zu lesen. Das ist der erste Schritt.
Man kann einen zweiten folgen lassen: Eines der Gedichte, die einen ansprechen, wiederholt laut und leise lesen.
Dritter Schritt. Auf einzelne Worte, Verse, Strophen und ihre Beziehungen untereinander achten.
Vierter Schritt. Wortschöpfungen, die einem ungewöhnlich erscheinen, in ihrer Bedeutungsfülle wahrnehmen: Atemwende, Niemandsrose, Sprachgitter… Nichts entschlüsseln oder festlegen wollen!
Fünfter Schritt: Sich vergegenwärtigen, dass Celan aus der Bukowina kam, Deutsch seine Muttersprache war, er als Jude die Shoa erlebte und ihr entkommen war. Seine Eltern wurden ermordet.
Sechster Schritt: Ahnen, dass sich Zeit, Raum, Töne, Klang, Begegnungen durch diese gemachten Erfahrungen ebenso ändern wie das Verhältnis zur Sprache, in der man wahrnimmt, spricht, hört, denkt und schreibt. Sprache ist die einzige Möglichkeit, sich zu erinnern, zugleich in Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und an verschiedenen Orten zu sein, ohne ein Kontinuum des Ununterscheidbaren zu erfahren.
Siebenter Schritt: Einen Spaziergang machen.
Achter Schritt: Von vorn beginnen mit dem Lesen. Die vielen (Ab)Brüche, Einschübe, Umwege, das energische Setzen eines Wortes, das Zögern, das Verharren, das Zusammensetzen, das Durchstreichen und das Durchgestrichene mitlesen.
Neunter Schritt: Einen Kommentar zum jeweiligen Gedicht in einer Celan-Ausgabe und das Gedicht lesen.
Zehnter Schritt: Freunden vom gelesenen Gedicht erzählen.