„Stammbaumrecherche“ – Zuspitzung oder falsche Sachverhaltsdarstellung? Kürzlich schlugen in der Bundesrepublik die Empörungswellen hoch, weil die Polizei angeblich rassistisch motivierte Nachforschungen zum familiären Hintergrund bei jungen, mutmaßlichen Straftätern der jüngsten Ausschreitungen in Stuttgart anstellen würde. Schnell stellte sich heraus, dass die Begriffe „Stammbaumrecherche“ oder „Stammbaumforschung“ weder seitens der Polizei noch seitens konservativer Politiker gebraucht worden waren. Redakteure der „Stuttgarter Zeitung“ und der „Stuttgarter Nachrichten“ hatten den Begriff „Stammbaumrecherche“ vom facebook-Account eines jungen Stadtrats der Grünen abgeschrieben und ungeprüft als Nachricht präsentiert (https://www.nzz.ch/international/von-stammbaumforschung-war-in-stuttgart-nie-die-rede-ld.1566116)
Bundespolitiker der LINKEN, der SPD, der GRÜNEN hatten die Zeitungsmeldung für bare Münze genommen und über das Verlautbarungsorgan „twitter“ recht einhellig Position bezogen und das Vorgehen der Polizei verurteilt. Es entstanden bundesweit Zeitungskommentare und die üblichen „Experten“-Interviews im Rundfunkt, und das alles auf der Grundlage einer „Ente“, einer Falschmeldung. Von einer polemischen Zuspitzung zu sprechen, wie es der eine oder andere Stuttgarter Lokalpolitiker tat, mag eine nachgereichte Schutzbehauptung sein, geht aber ebenfalls am Kern der Sache vorbei: Es handelte sich um keine überzogene, sondern um eine falsche Darstellung. Denn der Migrationshintergrund wird in diesem Fall aus familiensoziologischen Gründen für eine wirksame Prävention ermittelt.
Wo liegt das Problem? Wenn Journalisten Äußerungen aus sozialen Medien übernehmen ohne dies zu kennzeichnen und ohne die Darstellung auf ihren Faktengehalt gegenzuchecken, verlieren am Ende alle: Journalisten verlieren an Glaubwürdigkeit, Leser, Hörer und Zuschauer das Vertrauen, Politiker schließlich die Möglichkeit, Probleme angemessen zu diskutieren, Lösungsvorschläge abzuwägen und Entscheidungen zu treffen, die weiterhelfen.