Viele Leute waren und sind in den vergangenen vierzehn Tagen aus ehrenwerten Gründen auf den Beinen: Sie sind gegen „Deportations- und Vertreibungspläne“, die alle Ausländer und eingebürgerten Deutschen aus dem Land schaffen sollen. Dass sich dagegen ein so breiter und lautstarker Protest erhebt, ist gut!
Die Sache hat allerdings ein paar Haken:
Erstens wurden mehrfach Konservative und Vertreter der CDU/CSU auf diesen Demonstrationen angefeindet, ein Lehrer, der die deutsche Nationalhymne anstimmte, sogar als „Nazi“ und „Faschist“ beschimpft und von der Bühne geholt. All das spricht nicht dafür, dass sich auf diesen Demonstrationen vor allem Demokraten versammeln. In der Neuen Zürcher Zeitung las ich dieser Tage, dass auf einer dieser Demos in Köln die CDU-Politikerin Serap Güler gesprochen hat, ohne angeraunzt zu werden, und das hat mich beruhigt. Denn im breiten Bündnis der Anmelder finden sich militante Antifagruppen, israelfeindliche Organisationen, islamistische Gruppen wie „Islamic Relief“, die Spenden für die Hamas sammelt, und Klimaaktivisten, die noch bis gestern verkündeten, dass wegen des Klimawandels für Demokratie keine Zeit mehr sei.
Zweitens ventiliert außer Neo-Nazis wie Björn Höcke und Rechtsextremisten wie Maximilian Krah selbst in der AfD niemand „Deportations- und Vertreibungspläne“. Gesetzt den Fall, die AfD käme in die Regierung, was so gut wie ausgeschlossen ist, da sie im Bund keinen Koalitionspartner fände, müsste zuerst unser Grundgesetz geändert werden, um dergleichen durchzusetzen, wofür im Bund eine Zweidrittelmehrheit benötigt würde, über die die AfD mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals verfügen wird.
Drittens sind die Correctiv-„Recherche“ über das Rechtsextremisten-Treffen in Potsdam und die Tatsache, dass neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk so viele private Medien die Kolportage ungeprüft übernahmen und weiterverbreiteten, kein gutes Zeichen für den Zustand unserer Vierten Gewalt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass vor allem Vorfeldorganisationen der Grünen – zu denen Correctiv zweifellos gehört – die begrüßenswerte Wende der Ampel-Regierung in der Flüchtlings- und Migrationspolitik ab Herbst 2023 rückgängig machen wollen. Das ist erlaubt. Nicht erlaubt sein sollte allerdings, Fehlinformationen in die Welt zu setzen und damit Massen zu mobilisieren. Zum einen geht derlei langfristig nach hinten los. Zum anderen denke man sich nur einen anderen Fall: Was ist, wenn demnächst ein anderes Gerücht die Runde in öffentlich-rechtlichen Medien macht, allgemein geglaubt wird und die Massen mobilisiert?
Viertens gibt es für die Mobilisierung durch Gerüchte aktuelle Beispiele gleich im Anschluss an den schlimmsten Massenmord an Juden, der seit Ende des Zweiten Weltkriegs faktisch stattgefunden hat, begangen am 7. Oktober 2023 im Süden Israels von Hamas, Islamischem Dschihad und von Bewohnern Gazas, die sie unterstützen. Noch am gleichen Tag wurde dieser Judenmord auf Berliner Straßen gefeiert. Kurz darauf begann das Gerücht vom „Genozid“ an der Einwohnerschaft des Gaza-Streifens die Runde zu machen, den Israels Verteidigungsstreitkräfte angeblich planen würden. Wo waren all die Leute, die heute zu Recht gegen Rechtsextremisten und die AfD demonstrieren, als Linksextremisten, PFLP-Anhänger, Hamas-Sympathisanten, Erdogan-Anhänger und andere auf deutschen Straßen und an deutschen Universitäten ungehindert gegen einen angeblichen „Genozid“ Israels herumkrawallten? Warum haben sie nicht zu Hunderttausenden für Israel und für die Sicherheit ihrer jüdischen Nachbarn demonstriert? Wieso wurden keine zivilgesellschaftlichen Bündnisse geschmiedet, um gemeinsam gegen den Judenhass sämtlicher Extremisten aufzubegehren? Wo war die Solidaritätsbekundung des syrischen Flüchtlings Tareq Alaows von Pro Asyl mit Israelis und jüdischen Deutschen im letzten Oktober und November, als sie in Deutschland faktisch bedroht wurden? Hat er kraftvoll seine Stimme gegen Israelhass erhoben? Hat er Demonstrationen gegen Islamisten und gegen die Hamas organisiert? Eben.