Der Vergleich des Gaza-Streifens mit dem Warschauer Ghetto oder einem anderen von der SS ab 1940 eingerichteten Sammellager – denn das waren sie, wobei sich ihre jüdischen Insassen keineswegs aus freien Stücken in sie begeben hatten – in den von Nazi-Deutschland besetzten Gebieten östlich der Neiße scheitert schon daran, dass nicht die Israelis, sondern die arabischen Palästinenser trotz regelmäßiger Überweisungen internationaler Hilfsgelder und zusätzlicher Milliardenspenden aus Golfstaaten wie Katar die Zustände selbst herbeigeführt haben, unter denen sie seit über 15 Jahren leiden.
Die Bevölkerung im Gaza-Streifen und im Westjordanland hat sich in den letzten fünfzig Jahren verfünffacht, allein im Gaza-Streifen sogar fast verzehnfacht. Im Schnitt setzen die Familien dort vier, fünf Kinder in die Welt, die sie in der Regel nicht selbständig versorgen können. In den NS-Sammellagern dagegen wurde die Anzahl ihrer jüdischen Insassen regelmäßig dezimiert, durch Deportation in die Vernichtungslager, durch Erschießungen, durch Krankheiten, durch Hunger, durch Selbstmorde.
Nicht die Israelis haben die Hamas im Gaza-Streifen eingesetzt wie seinerzeit die Nazis in den Sammellagern die sogenannten Judenräte. Und nicht die Israelis bestimmen darüber, was im Gaza-Streifen geschieht, wie seinerzeit die Nazis– das gehörte zu ihrer sadistischen Perfidie -, den Judenräten befahlen, was sie zu tun hatten, weshalb einer von ihnen, Adam Czerniaków, den Freitod der Befehlserfüllung vorzog, um nicht an der Ermordung des jüdischen Volkes mitzuwirken. Im Gegensatz dazu hat eine Mehrheit wahlberechtigter arabisch-palästinensischer Einwohner des Gaza-Streifens der islamistischen Terrororganisation 2006 in freien und geheimen Wahlen einen Großteil der Regierungsgewalt übertragen. 2007 putschte die Hamas dann die Fatah von Mahmud Abbas weg und sich selbst an die totale Macht. Seitdem gab es, von wenigen Demonstrationen abgesehen, so gut wie keinen Widerstand gegen sie. Die Hamas wurde für die Zweckentfremdung der beträchtlichen Finanzmittel zum Ausbau der Terrorinfrastruktur von der Einwohnerschaft des Gaza-Streifens nicht zur Rechenschaft gezogen, obwohl die internationalen Hilfsgelder zur Versorgung der Zivilbevölkerung und für den Auf- und Ausbau einer zivilen Infrastruktur gedacht gewesen sind. Es wurde im Gaza-Streifen auch nicht dagegen protestiert, dass die Hamas Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Wohngebiete als Abschussrampen für ihre Raketenangriffe auf Israel, als Waffenlager und Zugang zum Terrortunnelsystem nutzt, kurzum die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde missbraucht. Entweder hat es keine Sabotageakte aus der Bevölkerung heraus gegen all das gegeben oder Berichte darüber sind nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Bekannt ist, dass die Hamas wenig Federlesen mit denjenigen macht, die sich ihr widersetzen, politische Gegner, schwul oder sonst etwas sind, das ihren islamistischen Vorstellungen zuwider läuft. Ein Teil der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen wird eingeschüchtert und verzweifelt sein, ein anderer sich schicksalsergeben fügen, der nächste ohne viel zu überlegen mittun und – ein Drittel bestimmt – überzeugt und begeistert von der Hamas sein. Männer wie Frauen.
Es ist unwahrscheinlich, dass im Gaza-Streifen niemand vom jeweiligen Krankenhauspersonal – Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, Reinigungskräfte – und Lehrpersonal an Schulen und Kitas etwas von der Anwesenheit der Hamas im oder am Haus mitbekommen haben soll. Zum einen gibt es personelle Überschneidungen zwischen der Hamas und der UNRWA, dem UN-Flüchtlingshilfswerk, dem größten Arbeitgeber im Gaza-Streifen, und zum anderen dürften sowohl die Leitungsebenen von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen als auch ein Teil des Personals mit der Hamas kooperieren. Und das ganz gewiss nicht unter Zwang. Ohne Wissen und Einverständnis der Hamas wird im Gaza-Streifen bestimmt niemand Krankenhaus- oder Schuldirektor.
Die detailliert ausgearbeiteten Pläne und Skizzen, die die israelischen Sicherheitskräfte bei den von ihr im Süden Israels getöteten Hamas-Terroristen seit dem 7. Oktober 2023 gefunden haben, sind beredt. Aus ihnen geht hervor, dass die Mörder genau wussten, wer, wo, mit wie viel Personen im Haushalt wohnt und ob die Bewohner der zu brandschatzenden und zu plündernden Kibbuzim bewaffnet und wehrhaft waren. Solche Informationen lieferten die Arbeiter aus Gaza, denen die Israelis die regelmäßige Einreise erlaubt hatten. Das zeigt, dass die Hamas im Gaza-Streifen sehr viele kaltblütige Unterstützer haben muss.
Ägypten und Israel, die ihre Staatsterritorien mit Grenzzäunen und vierzig, fünfzig Meter tief in den Bodenreichenden Mauern vor Terrortunneln und der Infiltration durch Hamas-Terroristen schützen, lassen seit Jahren nur noch die Einfuhr humanitärer Hilfslieferungen nach Gaza zu. Diese Entscheidung zielte darauf, die Terrorinfrastruktur der Hamas allmählich auszutrocknen. Das ist nicht geglückt. Dessen ungeachtet hatten und haben die Israelis nicht das Ziel, die arabischen Palästinenser in Gaza zu ermorden, wie die Nazis die europäischen Juden. Die etwas euphemistisch als Ghettos bezeichneten NS-Sammellager dienten ab 1942 nur noch dazu, die Massendeportationen in die Vernichtungslager Belzec, Sobibor, Treblinka, Majdanek oder Auschwitz zu organisieren.
Die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) informieren die Bewohner des Gaza-Streifens vorab über jeden Bombenabwurf. Dass es dennoch zu zivilen Todesopfern kommt, ist bedauerlich. Den propagandistisch verwerteten Opferzahlen der Hamas ist nicht zu trauen. Ziel der israelischen Bombardierungen ist nicht die arabisch-palästinensische Zivilbevölkerung, die sich dessen ungeachtet nicht immer und in jedem Fall leicht von der Hamas unterscheiden lässt, sondern die Terrororganisation. Ihrer Zerschlagung und der Befreiung der am 7. Oktober 2023 von der Hamas in den Gaza-Streifen verschleppten Geiseln gilt die Verteidigungsoffensive der israelischen Armee.
Der Vergleich zwischen dem von der Hamas innerhalb von fast zwei Jahrzehnten heruntergewirtschafteten und fast unbewohnbar gemachten Gaza-Streifen und den Vorhöfen der NS-Judenvernichtung ist bizarr, abstrus, absurd, grotesk. Noch desaströser ist allerdings die Tatsache, dass offenkundig niemand in der Heinrich-Böll-Stiftung dazu in der Lage gewesen ist, Gessens intellektuellen Totalabsturz in wenigen, historisch und aktuell informierten Sätzen erschöpfend Paroli zu bieten. (https://taz.de/Streit-mit-Hannah-Arendt-Preistraegerin/!5980783/)