Die Journalistin Maja Zehden und der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel haben auf MENA watch ein hörenswertes Gespräch geführt: https://www.mena-watch.com/islamischer-antisemitismus-verhaengnisvolle-allianz-des-mufti-von-jerusalem-mit-hitler/
Matthias Küntzel schreibt seit über zwanzig Jahren ausgezeichnet recherchierte, überaus lesens- und empfehlenswerte Aufsätze und Bücher zum islamischen Antisemitismus, zur antijüdischen NS-Radiopropaganda, zur Kooperation der Nationalsozialisten mit den ägyptischen Muslimbrüdern, schließlich zur Allianz zwischen Mohammed al-Husseini, dem Mufti von Jerusalem, und Adolf Hitler. Daneben gibt es inzwischen noch eine Reihe weiterer auf Englisch und/oder Deutsch erschienene Bücher zu diesen Themen wie Jeffrey Herfs „Nazi-Propaganda for the Arab World“, „Halbmond und Hakenkreuz, Das Dritte Reich, die Araber und Palästina“ von Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers oder „Für Prophet und Führer, Die Islamische Welt und das Dritte Reich“ von David Motadel. Nur sie alle zusammen, Küntzels Texte und die eben aufgezählten, ergeben ein klares Bild.
Denn Küntzel kann nicht erklären, wieso die NS-Propaganda in der islamischen Welt so rasch auf fruchtbaren Boden fiel, so erfolgreich und trotz vergleichsweise kurzer Dauer so nachhaltig gewesen ist. Bei Mallmann und Cüppers, die das britische Mandatsgebiet Palästina und die massive judenfeindliche Hetze des Muftis seit 1917 in den Blick nehmen, als dort wie hier von Adolf Hitler noch kaum wer allzu viel wusste, geschweige denn, dass man seine üblen Tiraden ernst genommen hätte, findet man die Antwort auf die Frage nach der offenkundig schnellen Wirkung der NS-Propaganda in der gesamten islamischen Welt. Herf schaut sich das ganze Ausmaß der NS-Propaganda an, nicht nur die antijüdischen Radiosendungen. Motadel wiederum gewährt einen detaillierten Einblick ins Zusammenwirken des Nationalsozialismus mit der gesamten islamischen Welt, nicht nur der arabischen.
Kann man Antijudaismus und Antisemitismus voneinander trennen? Spielte der Rassismus im NS-Judenhass eine entscheidende Rolle? War es der Rassismus, der die NS-Judenfeindschaft zu einer eliminatorischen machte?
Die erste Frage kann man mit einem klaren ‚Nein‘ beantworten. Es klappt im christlichen Abendland nicht, Antijudaismus und Antisemitismus glasklar voneinander zu trennen. Wer das glaubt, geht Wilhelm Marrs Propaganda auf den Leim. und beim Islam ist das nicht anders. Es ist gehupft wie gesprungen, ob man nun mit dem exzellenten Antisemitismusforscher Robert S. Wistrich von einem zweitausendjährigen Antisemitismus spricht oder statt dessen lieber von Judenfeindschaft. Was gegen den Gebrauch des Begriffs „Antisemitismus“ und für den der „Judenfeindschaft“ spricht, ist nur die Tatsache, dass der zweite Begriff präziser in seiner Gegenstandsbestimmung ist und sich deshalb Araber und Muslime nicht in eine tödliche Feindseligkeit hineinreklamieren können, die sie niemals betraf. Mit dem Begriff „Judenfeindschaft“ gräbt man Fans von Edward Said das Wasser ab.
Zur Frage nach der Bedeutung von „Rasse“ im Antisemitismus: Weder die Antisemiten im Wilhelminischen Kaiserreich noch die Nationalsozialisten verfügten jemals über ein elaboriertes „Rasse“-Konzept. Sie benutzten – wie später auch Heinrich Himmler in einer seiner berüchtigten Posener Reden noch während der Shoah –‚Rasse‘ im Sinne von und abwechselnd mit dem Wort ‚Volk‘. Es waren also keine ausgeklügelten Rasse-Vorstellungen, die die Nazis dazu brachten, Juden zu verfolgen und zu vernichten, sondern der uralte christliche Bildvorrat, der Juden mit Macht, Verschwörung, Mord, Verrat, Geld, Völkerhass und Menschenfeindschaft verklammerte, worüber auch ein jeweils an die Zeit angepasstes Vokabular („Bazillen“, „Mikroben“, „Ratten“ etc.) nicht hinwegtäuschen kann.
Zur Frage nach dem eliminatorischen Charakter des Antisemitismus ist anzumerken, dass ihn die Nazis nicht erfunden hatten, weil sich physische Vernichtungsfantasien, die das gesamte jüdische Volk betrafen, querbeet durch die christliche Literatur ziehen und leider auch bei säkularen Aufklärern – wo sie nicht immer zum Nennwert zu nehmen sind – finden lassen. Was die Nazis von ihnen allen unterscheidet, ist, dass erstere in die Tat umsetzten, wovon letztere meist lediglich träumten. ‚Meist‘ deshalb, weil die zweitausendjährige Geschichte der Judenfeindschaft reich an Pogromen und Gewaltverbrechen gegen Juden ist. Übrigens konnten die Nazis und ihre willigen Helfer das nur tun, weil ein bedeutender Teil nichtjüdischer Deutscher ihnen das überhaupt erst ermöglichte. 1933, indem man ihnen die Regierungsgewalt übergab und dieses Mandat wenige Wochen später noch einmal bestätigte. 1938, indem man beim Novemberpogrom weder einschritt noch dagegen protestierte. 1939, indem man den Kriegsdienst nicht verweigerte. 1941, indem man die Deportationen von Juden bejubelte, begrüßte, gleichgültig wegsah oder schwieg, wenn man nicht einverstanden war. Kurzum, weil es zu wenige nichtjüdische Deutsche gegeben hat, die sich der NS-Judenverfolgung entgegenstemmten.
Raum- und Zeitsprung: 7. Oktober 2023, Massenmord an über 1200 Israelis, von denen viele zuvor grausam gefoltert wurden, das Verletzen Tausender Israelis und die Verschleppung von über 200 Geiseln aus dem Süden Israels in den Gaza-Streifen durch Terroristen der Hamas und des Islamischen Dschihad; Babys, Kinder, Frauen, Männer, alte Menschen wurden bei lebendigem Leib verbrannt, erstochen, erschlagen, geköpft, martialisch abgeschlachtet, erschossen, Frauen wurden vergewaltigt, Schwangeren der Bauch aufgeschlitzt, Tote und Halbtote geschändet. Darüber berichteten Medien wochenlang rund um den Globus. Dreiviertel der arabischen Palästinenser in Gaza und im Westjordanland befürworteten diese Massaker von Hamas und Islamischem Dschihad laut palästinensischen und arabischen Umfragen zwischen dem 22. November und dem 2. Dezember 2023 (vgl. https://www.mena-watch.com/mehrheit-palaestinenser-hamas-angriff-israel/).