Vor einigen Monaten bekam ich einen Anruf aus der Kulturredaktion des Deutschlandfunks. Meine Beschwerde über eine unvorbereitete und uninformierte Moderation, die leider immer häufiger vorkommt, hatte eine der leitenden Redakteurinnen verärgert, weshalb sie kurzerhand zum Telefonhörer gegriffen hatte, um die Sache zu klären. War ja eine gute Idee. Gegenstand des Gesprächs war dann aber ihr Eindruck, ich würde ständig auf den öffentlich-rechtlichen Medien rumhacken. Tue ich nicht. Meine Kritik ist konkret.
Falsche Tatsachenbehauptungen, die ungute Vermischung von Fakten- und Meinungsjournalismus sowie die unzulängliche Erfüllung des Bildungsauftrags sind unüberhörbar. Und das hat damit zu tun, dass viele, glücklicherweise nicht alle Journalisten das Handwerk des guten Journalismus nicht mehr beherrschen, wobei das Problem bereits in den Universitäten beginnt, in den Kultur-, Bildungs- und Geschichtswissenschaften, die offenkundig mehr Ideologie vermitteln als Analysevermögen und quellenkritische Methoden.
Beispiel 1 zu falschen Tatsachenbehauptungen: Am 5. März war mal wieder die Journalistin Kristin Helberg zu Gast im ZDF bei Markus Lanz und behauptete, die Palästinenser hätten den Staat Israel im Verlauf der Oslo-Verhandlungen anerkannt. Das ist falsch. Die Hamas, der palästinensische Islamische Dschihad und die anderen Terrorgruppen haben Israel nicht nur nie anerkannt, sie nahmen den Oslo-Prozess, den sie ablehnten, zum Anlass, ihre Terroranschläge auf israelische Zivilisten zu vervielfachen! Zwar implizierte Jassir Arafats Verhandlungsbereitschaft diese Anerkennung, aber schriftlich wurde sie nie ratifiziert. Ob Frau Helberg es entweder nicht besser weiß oder aber wissentlich die Unwahrheit sagt, ist schnurzpiepegal, weil sie weder das eine noch das andere dazu qualifiziert, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fundierte und belastbare Aussagen zum Konflikt zwischen arabischen Palästinensern und Israelis zu treffen. Das bewies auch ihr Insistieren darauf, dass man derzeit angeblich nicht wissen könne, ob die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) in Gaza einen Völkermord begehen oder nicht, denn man weiß längst und konnte schon immer wissen, dass dieser Vorwurf eine der üblichen antisemitischen Verleumdungen Südafrikas ist, weil der Straftatbestand des Völkermords nur unter der Voraussetzung einer nachgewiesenen Absicht erfüllt ist und es dabei nicht darauf ankommt, was dieser oder jener israelische Politiker von sich gibt, sondern darauf, was der Regierungschef und das Militär anordnen. Israels Kriegsziele sind klar definiert: die militärische Zerschlagung der Hamas und die Befreiung der Geiseln. Sobald die Hamas kapituliert und die israelischen Geiseln freilässt, ist der israelische Kriegseinsatz vorbei. Nicht Israel, sondern die Hamas hat es in der Hand. Doch für Helberg gibt es keine Fakten, keine objektivierbare Wirklichkeit, sondern nur „Perspektiven“. Schließlich sei auch die Hamas nicht nur eine Terrororganisation, so Helberg, sondern kümmere sich auch um die Verwaltung und das soziale Leben im Gaza-Streifen. Da stockt dem kundigen Thebaner dann doch der Atem. Einmal, weil es Frau Helberg nicht bekannt zu sein scheint, dass der Totalitarismus des islamischen Fundamentalismus genau darin besteht, sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens unterschiedslos zu beherrschen. Und zum anderen, weil die Tatsache, dass es einen nach islamischen Regularien funktionierenden Gottesstaat in den Augen von Frau Helberg geradezu zu ehren scheint, dass er sich auch um die sozialen Belange seiner Bewohner kümmert und das heißt im Fall der Hamas, dass er darüber entscheidet, was mit den internationalen Hilfsgeldern und Lebensmittellieferungen für die Bevölkerung geschieht. Der Hinweis darauf, dass die Hamas diese internationalen Hilfen regelmäßig für ihre Terrorziele zweckentfremdet und der Bevölkerung vorenthalten hat, blieb dem Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman Engel, überlassen. Am Ende betonte Helberg, dass nicht immer gleich alles als antisemitisch bewertet und bezeichnet werden dürfe, was sich bloß so anhört. Die Journalistin, die für öffentlich-rechtliche Medien arbeitet, ist natürlich keine Antisemitin. Sie redet nur so.
Helbergs Funktion in der Talk-Runde ist offenkundig die einer Schützenhilfe und Übersetzerin für den Palästinenser Abed Hassan. Wäre ich Palästinenser, würde ich über den Zustand meiner Schwestern und Brüder und die Situation in Gaza auch frustriert sein. Warum der durchschnittliche Bewohner dort arm ist – Stichwort Verzehnfachung der Einwohnerzahl seit 1967, Korruption der palästinensischen Eliten, die Milliarden veruntreuten -, ist in der Sendung kein Thema. Hassan interessieren keine Fakten. In seiner Welt dreht sich alles nur um das unbestrittene Leid der Palästinenser, aber nicht, wer und was es seit nunmehr fast 77 Jahren verursacht. Wird er mit den Tatsachen des palästinensischen Terrorismus und der schriftlich niedergelegten Vernichtungsziele von PLO und Hamas gegenüber Israel und Juden weltweit konfrontiert, weicht er blitzschnell auf die abstrakte Ebene des „kein Mensch sollte leiden, gar sterben müssen“ aus, auf der sich jede eigene Verantwortlichkeit, jede Selbstreflexion und jede Selbstkritik erübrigen. Jemand, der spricht wie Hassan, will es so genau nicht wissen und erst recht nichts ändern. Nur die ewig gleiche Rolle des vermeintlich unschuldigen Opfers israelischer Aggressionslust aufführen. Histrionisch, narzisstisch, depressiv. Und aggressiv. Das wird deutlich, wenn er unvermittelt in den Angriffsmodus überwechselt, die Israelis der Diskriminierung bezichtigt, weil sie ihn nicht einreisen lassen, ein inexistentes Rückkehrrecht der Palästinenser nach Israel beschwört und die Bombardierung von Moscheen beklagt, als wären sie keine legitimen Ziele für die IDF, wenn die Hamas sie wie Kindergärten und Schulen zur Operationsbasis umfunktioniert. Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter vertiefte den Bias, als er die illusionäre Forderung einer Zweistaaten-Lösung an die Adresse Israels richtete und sich auf Premier Netanjahu einschoss, obwohl es von 1937 bis 2008 die arabischen Palästinenser gewesen sind, die eine solche Lösung immer wieder torpedierten, indem sie jedes Angebot, sei es der Briten oder der UNO, sei es von Ehud Barak oder Ehud Olmert ablehnten. Philipp Peyman Engel blieb bewundernswert ruhig. Selbst als Lanz abschließend behauptete, die Täterschaft des deutsch-arabischen Schlägers, der Lahav Schapira auf einer nächtlichen Berliner Straße die Gesichtsknochen brach, sei deshalb ungeklärt, weil er dafür noch nicht rechtskräftig verurteilt worden sei. Als könnte sich noch herausstellen, dass es eine autochthone Glatze war, die Schapira so zurichtete.
Sichtweisen wie die, die am 5. März bei Lanz über die Feindseligkeiten gegen Israel und den Judenhass auf deutschen Straßen ventiliert wurden, waren einmal die von Extremisten. Erst der Nationalsozialisten, dann der Kommunisten, dann der linksterroristischen RAF und der rechtsextremen NPD. Heute sind sie Standard unter vielen Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen, die nach jedem Strohhalm greifen, um Israel zu bashen. Traut irgendein auch nur halbwegs gut informierter Mensch Annalena Baerbock angesichts ihrer vielen Bildungslücken zu, den Nahost-Konflikt zwischen Palästinensern und Israel adäquat einschätzen zu können? Und dennoch richtet sie am laufenden Band Forderungen an Israel, die die Öffentlich-Rechtlichen im halbstündlichen Nachrichtenblock vermelden. Wenn Joe Biden Israel aus innenpolitischen, offenkundig wahltaktischen Gründen kritisiert, ist auch das eine prominent platzierte Dauerschleife im öffentlich-rechtlichen Nachrichtengeschäft der Bundesrepublik. Das irgendwann vermeldet, über die Hälfte der Deutschen würden glauben, dass Israels Streitkräfte im Gaza-Streifen unverhältnismäßig vorgehen. Soll man lachen oder weinen?!
Beispiel 2 zur unzulässigen Vermengung von Tatsachen und Meinungen: Das NGO-Netzwerk „Correctiv“ wurde zur angeblich seriösen Quelle für die öffentlich-rechtliche Tagesberichterstattung und damit zur Grundlage von Regierungshandeln. Jeder unvoreingenommene, geschulte Leser des „Correctiv“-Berichts musste auf den ersten Blick merken, dass sich die verwertbaren Fakten in den Feststellungen erschöpften, dass sich Rechtsextremisten, Rechtskonservative und Konservative privat in einem Potsdamer Luxushotel getroffen und einem Vortrag des Identitären Martin Sellner zugehört hatten, der seine ganz eigene Definition des neutralen Begriffs „Remigration“ zum Besten gab. Da all das nicht ausgereicht hätte, um eine Nachricht zu produzieren, füllte „Correctiv“ den dürftigen Tatsachengehalt mit Assoziationen, überaus gewagten Deutungen und handfesten Unterstellungen über angeblich gefasste Pläne zur millionenfachen Vertreibung eingebürgerter Deutscher und Ausländer auf. Vor Gericht gab das NGO-Netzwerk kürzlich zu, dass es sich bei den skandalisierten Inhalten des Berichts – was einen bereits beim ersten Lesen ansprang – um reine Meinungsäußerungen handelte. Als Tatsachenbehauptungen hätte „Correctiv“ sie schließlich wasserdicht belegen müssen. (https://www.cicero.de/innenpolitik/urteil-correctiv-erleidet-eine-teil-niederlage-vor-gericht) Darüber berichteten inzwischen der Deutschlandfunk (medias res, 22.2.) und die ARD (27.2.), die den „Correctiv“-Bericht verbreitet hatten, ohne die notwendige Differenzierung zwischen dem „Tatsachenkern“ – Rechtsextremisten trafen sich und hörten einen Vortrag von Martin Sellner über Remigration – und der Meinungsäußerung oder Deutung zu treffen, es wäre dabei ein Plan zur millionenfachen Vertreibung eingebürgerter Deutscher und Ausländer gefasst oder auch nur besprochen worden. Die „Correctiv“-Meinungsäußerung war schon angesichts der politischen Bedeutungslosigkeit der Versammelten als Fantasterei erkennbar. Als solche klar ausgewiesen, hätte sie vermutlich nicht hunderttausende Bürger zu Demonstrationen gegen ein undefiniertes „Rechts“ auf die Straße getrieben. Ministerinnen wie Lisa Paus, Nancy Faeser und Svenja Schulze hätten sich darauf auch nicht als öffentlich-rechtliche „Nachrichtenlage“ berufen können. Über die Tatsachen, dass das Netzwerk „Correctiv“ in den letzten Jahren mit über zweieinhalb Millionen Euro vom Staat gefördert wurde (https://www.nordkurier.de/politik/25-millionen-euro-steuergeld-so-finanziert-die-bundesregierung-correctiv-2286988) und deshalb keineswegs „unabhängig“ ist, enge Kontakte zu Ministerien pflegt und im letzten Herbst kurz vor dem Potsdamer Rechtsextremisten-Treffen im Bundeskanzleramt vorstellig geworden war, schwiegen sich die Öffentlich-Rechtlichen aus.
Beispiel 3 zum Bildungsauftrag: öffentlich-rechtliche Sendungen wie Terra X, der öffentlich-rechtliche Jugendkanal Funk und das youtube-Projekt „MrWissen2go“ von Mirko Drotschmann verbreiten nicht immer – um es vorsichtig zu sagen – sachlich richtige Darstellungen (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/mrwissen2go-und-namibia-zdf-muss-beitrag-korrigieren-19393263.html). Die Erklärvideos zur Entstehung des Islam verbreiten einfach bloß eins zu eins die islamische Traditionsliteratur, so, als würde man die Entstehung des Christentums durch das Nacherzählen der Evangelien erklären wollen … Das ist offenkundig absurd und hat mit westlichen Standards der Wissensvermittlung nicht das Geringste zu tun. Es gibt allerspätestens (!) seit dem Islamwissenschaftler Ignaz Goldziher (1850 – 1921) eine recht reichhaltige Wissenschaftstradition historisch-kritischer Analyse verbunden mit einer gesunden Skepsis gegenüber dem Tatsachengehalt religiöser Erzählungen. Den aktuellen Stand der westlichen Islamwissenschaft – die einzige, die für uns maßgeblich ist, denn der Rest ist Ideologie und woker Unfug – markieren Namen wie Jehuda Nevo, Patricia Crone oder Fred Donner und in Deutschland Günter Lüling und die Saarbrücker Schule. Tom Hollands Film „Islam: The untold story“ (2012: https://www.youtube.com/watch?v=K2JdTrZO1To) fasst die wichtigsten ungeklärten Fragen über Zeit, Ort und Protagonisten der Entstehung des Islam zusammen. Es ist eine Geschichte des gesicherten Nichtwissens, zumal das, was die islamische Traditionsliteratur uns über Mohammed erzählt, 150, 200 Jahre nach Vollendung seines Erdenlebens entstanden ist. So, wie Christen trotz der historisch-kritischen Religionswissenschaft an Jesus und die Evangelien glauben können, so können auch Muslime weiter an Mohammed und den Koran glauben. Beide, Christen wie Muslime, müssen zumindest im Westen akzeptieren, dass andere dies anders halten, und es keine Beleidigung ist, wenn andere diesen Glauben verwerfen. Sie müssen ferner akzeptieren, dass sie weder das Recht haben, anderen ihren Glauben aufzuzwingen noch das Recht, andere für ihre Skepsis, ihre Zweifel, ihren Spott oder ihre Forschungen zu bestrafen. „The untold story“ zeigt auch, dass es kein Wissen „to go“ gibt. Man sollte aufhören, Jugendlichen den falschen Eindruck zu vermitteln, man könne sich Kenntnisse komplizierter historischer Zusammenhänge praktisch im Vorbeigehen aneignen und Wissen wie Produkte im Supermarkt erwerben. Es gibt unter anderem bei Arte tiefschürfende, manchmal mehrteilige Dokumentationen über archäologische Forschungen in Ägypten, zur Geschichte des Judentums oder zur Entstehung des Christentums. Zum Islam gibt es nichts auch nur annähernd Vergleichbares. Gut möglich, dass sich nach der Fatwa Chomeinis gegen den Schriftsteller Salman Rushdie und den Morden an Übersetzern und Verlegern der „Satanischen Verse“ kaum noch Journalisten und Wissenschaftler trauen, die islamischen Überlieferungen in Zweifel zu ziehen und zu kritisieren, erst recht nicht, nachdem Rushdie durch den Messerangriff eines Islamisten im August 2022 im Bundesstaat New York ein Auge verlor. Doch das wäre ein ebensolches Armutszeugnis für den Westen, wie das der Rückzug Constantin Schreibers von der Islamkritik aufgrund mangelnder Unterstützung deutscher Universitäten (!) gewesen ist. Es genügt nicht, Kurt Westergaard oder Rushdie Preise zu verleihen. Islamkritik, historisch-kritische Islamwissenschaft und Diskussionen über den islamischen Fundamentalismus gehören an deutsche Universitäten, in deutsche Talk-Shows und in öffentlich-rechtliche Medien. Nicht obwohl, sondern weil wir muslimische Zuwanderung haben!