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Kunst bleibt Kunst – Danke, Milan Kundera

Vergangenen Dienstag ist der tschechische Schriftsteller Milan Kundera gestorben. Wie wahrscheinlich die meisten Romanliebhaber meiner Generation habe ich „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ sehr genossen. Dennoch war das Buch für mich keins, das ich zwei, drei Mal oder gar immer wieder gelesen hätte.

Über die Erotomanie des Hauptprotagonisten  Tomas in der „Unerträglichen Leichtigkeit“, die mich etwas nervte, sah ich ebenso hinweg wie über die klammeräffischen Züge seiner Freundin Teresa. Aus der kümmerlichen Romanverfilmung bezog mein Freundeskreis jahrelang running gags auf Partys – „Der Schmerz sitzt ungefähr hier.“  Als ein tschechischer Bekannter den Roman wählte, um seine Schülersexualpädagogisch aufzulockern, fand ich das speziell, weil die Zeit revolutionärer One-Night-Stands im 21. Jahrhundert vorbei ist. Zumindest in Mitteleuropa. Von Kundera las ich später noch ein paar Essays, aber eine Kennerin seines Werks bin ich nicht geworden.

Und doch gibt es etwas, wofür ich Milan Kundera unendlich dankbar bin: Er unterschied mit Nachdruck das Schreiben und Lesen eines Romans vom Verarbeiten und Herauspräparieren politisch-ideologischer Programme. Kundera befürchtete zu Recht, dass die Kunst des Romanlesens im Schwinden begriffen ist. Mit den identitätspolitischen Zumutungen der letzten Jahre, in denen am laufenden Band „tote weiße Männer“ begraben und die Lebenden unter ihnen zum Aussterben aufgefordert werden, erleben wir den Neuaufguss tödlicher Kunstfeindlichkeit und Agitproplangeweile, die sich deshalb umso aufgekratzter geriert. Wenn diese Kulturfunktionäre und was auch immer Schaffenden wüssten, aus welchen trüben Quellen sie da schöpfen, käme ihnen die Selbstbeschreibung „progressiv“ nicht mehr so leicht über die Lippen. Sie ist alles andere als attraktiv, originell, wünschenswert oder gar zukunftsweisend.

Milan Kundera jedenfalls wusste ziemlich genau, wovon er sprach und behält auch deshalb Recht. Er kann in Frieden ruhen, denn sein Werk bleibt.