So will es der sozialdemokratische Koalitionspartner der aktuellen Berliner Regierung. Warum treten ausgerechnet Sozialdemokraten säkularen Migranten, den Islamkritikern unter ihnen, den vielen, vielen irgendwann eingewanderten Laizisten, die mit dem Islam nichts am Hut haben, weil sie ihn kennen, wieder und wieder in die Kniekehlen? Wieso schwächen Sozialdemokraten die deutsch-türkischen Säkularisten aus ihren eigenen Reihen und stärken stattdessen diejenigen, die den Islamisten das Wort reden?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser ließ von Anfang an ihr übergroßes Herz für Islamisten erkennen. Wer sich fragt, wie links und islamistisch zusammengeht, hat die letzten fünfzig Jahre verschlafen, in denen die Linke rechts geworden ist. An den Unis, in den Medien, in den Parteien und ihren Vorfeldorganisationen. Ein undifferenziertes „Follow the science“ führt hier geradewegs in die Irre, ja den Irrsinn.
Die Geschichte, die über Juden- und Islamfeindschaft seit ein paar Jahrzehnten von einigen „Wissenschaftlern“, Mittelbauern (u. a. Juliane Wetzel, Yasemin Shooman) wie Professoren (u. a. Wolfgang Benz, Naika Foroutan, Aladin El-Mafaalani) erzählt wird, geht in etwa so: Nach der christlichen Rückeroberung der iberischen Halbinsel von den Muslimen durch die Spanier wurden zunächst Juden, später auch Muslime vertrieben, wenn sie nicht zum Christentum konvertierten. Mit der berüchtigten Vorstellung einer Blutsreinheit = Limpieza de sangre, die heute als protorassistisch angesehen wird, hätten abendländische Christen begonnen, sich biologisch und religiös von Juden und Muslimen gleichermaßen abzugrenzen, sie rassistisch zu verfolgen und zu vertreiben. Nach dieser Auffassung saßen Juden und Muslime in Europa immer schon im gleichen Boot. Die konvertierten Juden wurden als Marranen = Schweine beleidigt, die konvertierten Muslime als Morisken = Mauren. Von Anfang an, so heißt es, gingen in dieser Vorläuferform des modernen Rassismus Biologie und Kultur Hand in Hand. Darum würden Muslime von Christen genauso rassistisch verfolgt wie die Juden. Die Schöpfer und Befürworter der Fantasie vom „antimuslimischen Rassismus“ berufen sich unter anderen auf die limpieza de sangre.
Allerdings hat diese Erzählung ein paar klitzekleine Schönheitsfehler. Erstens betraf das Alhambra-Edikt von 1492 und die limpiza de sangre nur Juden. Antijüdische Weltdeutungsmuster gehören zur christlichen DNA, Aversionen gegen Muslime und den Islam dagegen nicht, weshalb sie nicht wie im Fall von Juden auf Fiktionen, sondern auf faktischen Konflikten beruhten.
Zweitens entwickelte sich die moderne Vorstellung von Kultur, wie wir sie aus allen europäischen Nationalbewegungen kennen, aus dem Renaissance-Humanismus und der Aufklärung, die eine gewisse Distanz zwischen religiöser und säkularer Macht voraussetzen, die für die zeitgenössischen italienischen Handelsrepubliken – wo die vertriebenen Juden nicht zufällig zahlreich Aufnahme fanden -, aber mit Sicherheit nicht für das Spanien der Inquisition charakteristisch gewesen ist. Ergo blieb die limpieza de sangre strikt an die Religion und die mit ihr verknüpften Stereotype gebunden. Die Verschränkung von Abstammung und Religion im katholischen Spanien ergab insofern Sinn, als sich der Adel durch das Gottesgnadentum legitimierte und seine Herrschaftsansprüche unter Zuhilfenahme kirchlicher Institutionen wie der Inquisition durchsetzte. Das belegen auch die von ihr als Häretiker verfolgten und ermordeten getauften Juden. Und das unterscheidet die limpieza de sangre einerseits von den Nürnberger Gesetzen und andererseits von so etwas wie „Kulturrassismus“ (den ich für eine unwissenschaftliche Fantasie halte).
Drittens wurden Muslime zwar fast ein Jahrzehnt nach den Juden, im Jahr 1501, gleichfalls und zugunsten einer erwünschten religiösen Homogenität aus Spanien vertrieben, doch die Gründe dafür waren völlig andere und die Folgen auch: Muslime hatten die iberische Halbinsel im Zuge der islamischen Expansion ab dem 8. Jahrhundert militärisch erobert und Emirate – ein Emir ist ein Militärführer – begründet. Nichtmuslime erhielten daraufhin den islamisch vorgeschriebenen Dhimmi-Status, wurden zu Menschen zweiter Klasse und hatten hohe Steuern zu entrichten. Kirchen wurden zerstört, Christen gelegentlich vertrieben und versklavt. Muslime erlebten 1501 unter christlicher Herrschaft das Gleiche wie zuvor Christen unter muslimischer Herrschaft. Es ging bei muslimischer Eroberung und christlicher Rückeroberung in erster Linie um territoriale Konflikte und die Erweiterung von Herrschaftsbereichen – die im Fall von Juden nicht die geringste Rolle spielten – und erst in zweiter Linie um die Religion. Wiederholt hatten sich in den Jahrhunderten seit der islamischen Eroberung bei militärischen Auseinandersetzungen und Machtkämpfen Muslime mit Christen gegen Muslime und Christen mit Muslimen gegen Christen zusammengetan. Die Kämpfe zwischen christlichen und muslimischen Herrschern fanden praktisch fast während der gesamten Zeit des Bestehens von al-Andalus statt, mal gedämpfter, mal heftiger. Die aus Spanien vertriebenen Muslime fanden sich schließlich anders als die vertriebenen Juden schon in den nordafrikanischen Nachbarländern in einer religiösen Mehrheitsgesellschaft wieder.
Viertens war das Leben der jüdischen Minderheit auch unter muslimischer Vorherrschaft in al-Andalus nicht frei von Gewalt, Verfolgung und Vertreibung, wie das Massaker von Granada im Jahr 1066 beweist. Es kostete über 4000 Juden das Leben und gilt als das erste antijüdische Pogrom auf europäischem Boden. Nur Jahrzehnte später griffen Muslime in Granada erneut Juden an. Unter den Almohaden, die Mitte des 12. Jahrhunderts die Herrschaft übernahmen, wurden Nichtmuslime – Juden wie Christen – vielerorts vor die Wahl von Konversion oder Tod gestellt. Viele Juden und Christen flohen daraufhin aus al-Andalus. Bekannt geworden ist die Flucht der Familie des jüdischen Gelehrten und Arztes Moses Maimonides aus Cordoba ins ebenfalls islamisch beherrschte Kairo.
Fünftens ist Rassismus eine Folge von Versklavung und Sklavenhandel. Beider Rechtfertigung findet sich weder in Tora und Tanach noch im Neuen Testament, wohl aber im Koran. Versklavung und den arabischen sowie innerafrikanischen Sklavenhandel haben Muslime über 1400 Jahre lang an den Küsten Europas, im Nahen Osten, in Nord-, West- und Ostafrika praktiziert. Die Islamisierung Subsahara-Afrikas von Äthiopien bis zum Senegal erfolgte unter anderem deshalb, weil Muslime einander nicht versklaven dürfen und die einzige Möglichkeit, sich der Versklavung zu entziehen im Übertritt zum Islam bestand. Der transatlantische Sklavenhandel dauerte etwa 350 Jahre, vom 16. Bis ins 19. Jahrhundert und kostete zwölf Millionen Schwarzafrikaner die Freiheit, doch der arabische über 1400 und kostete über 17 Millionen Schwarzafrikaner die Freiheit! Nicht einberechnet sind die weißen Haussklaven und die durch die „Knabenlese“ rekrutierten und zwangsislamisierten Militärsklaven (u. a. Mamluken, Janitscharen). Berühmte islamische Gelehrte wie Avicenna – nach dem heute das Studienwerk für Muslime in der Bundesrepublik benannt ist – und Ibn Chaldun haben nicht nur die Versklavung gerechtfertigt, sondern auch den Hautfarbenrassismus eingeführt und verbreitet.
Zieht man all dies in Betracht, erscheint es reichlich kühn, dass einige – glücklicherweise nicht alle (!) – Muslime, anstatt den mit ihrer Religion verknüpften Rassismus sowie die in die DNA des Islam eingelassene Judenfeindschaft zu thematisieren und sich selbstkritisch mit ihr auseinanderzusetzen, einen Opferstatus geltend machen und beanspruchen, wie Juden als religiös und rassistisch Verfolgte betrachtet zu werden. Auch ins NS-Vernichtungsprogramm sind Muslime u. a. aus dem Irak, aus Palästina, aus den islamischen Sowjetrepubliken involviert gewesen.
Die rechtsextremen Morde an Türkischen Einwanderern in Mölln, Solingen und durch den NSU richteten sich nicht gegen Muslime, sondern gegen von den Mördern als „Ausländer“ angesehene Menschen. Diese Morde waren fremdenfeindlich, aber nicht islamfeindlich. Es ist nicht anzunehmen, dass die Religionszugehörigkeit der Opfer vorab recherchiert worden ist, Die Mörder mithin zweifelsfrei ausschlossen, dass die Angegriffenen und Ermordeten Jesiden, Aramäer, Armenier etc.pp gewesen sein könnten. Diese Opfer unter „Islamfeindschaft“ zu subsumieren, verbietet sich deshalb von selbst.
Berlin hat seit über zwei Jahrzehnten ein massives Problem mit Judenfeindschaft. Auf Straßen, Plätzen, in Cafés, an Universitäten, kurzum im Alltagsleben dieser Stadt. Von Islamfeindschaft habe ich dagegen noch nichts mitbekommen. Falls es sie gibt, ist sie zu verurteilen. Einen „Tag gegen Islamfeindschaft“ rechtfertigt das jedoch nicht. Ein „Tag gegen Islamismus“ wäre angebrachter.
Es wird langsam Zeit, dass Sozialdemokraten absteigen von ihrem Kalif Storch.