Man kann vielleicht literarisches Schreiben lehren und lernen, aber gute Literatur entsteht dadurch nicht. Die Coleridges, Schillers, Goethes, Heines, Puschkins, Baudelaires, Dostojewskis, Flauberts, Rimbauds, Twains, Tschechows, Prousts, Kafkas, Joycens, Woolfs, Musils, Capeks, Achmatowas, Mandelstams, Zwetajewas, Döblins, Pasternaks, Becketts, Marquez‘, Cortazars, Borges‘, Baldwins, Morrisons usw. haben ihr Handwerk durch Lektüre gelernt und waren klug und begabt genug, es jeweils anders zu machen als diejenigen, bei denen sie in die Schule gegangen waren. Dass man ihre Namen noch kennt, hat unter anderem damit zu tun, dass sie zwar Schüler toter Lehrer waren, ihr überaus anstrengender Schulalltag aber in der Verarbeitung von Wahrnehmungen und Erfahrungen bestand, die ihre Lehrer nicht gemacht hatten. Was gute Literatur ist und was nicht, entscheiden am Ende immer nur die, die gute Literatur schreiben.
Die Praxis der Literaturinstitute und Schreibseminare, die aus dem Osten und aus den Vereinigten Staaten in den deutschsprachigen Kulturbetrieb eingewandert sind, dienen in erster Linie den chronisch klammen Autoren, denen sich auf diese Weise eine Verdienstmöglichkeit eröffnet. Sie helfen in zweiter Linie jungen Menschen, die Schriftsteller werden wollen, beim Einstieg in den Literaturbetrieb, beim Finden eines Verlags, der ihre literarischen Debüts druckt, und ebnen auch den Weg in die Feuilletons. Mehr nicht. Autoren von Rang produzieren sie nicht.
Wie in allen Betrieben, geht es auch im Literaturbetrieb um Macht, nicht um Qualität. Das muss man nicht beklagen, schon gar nicht moralisierend verurteilen. Es ist eine nüchterne Tatsache. Daran Anstoß zu nehmen, wäre Zeitverschwendung. Die Leute, die im Literaturbetrieb ihre Brötchen verdienen, ob in den Verlagen, in der Literaturkritik, in den täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Literatur- und Kultursendungen, in den Jurys etc.pp tun ausschließlich dies und ich finde das völlig legitim. Unter ihnen gibt es ausgezeichnete Kenner, Leute mit Einschätzungsvermögen und Urteilskraft, Schwadroneure, Wichtigtuer, Heißluftbläser. Anders gesagt: Allzu ernst würde ich den Rummel nicht nehmen. Wer heute in aller Munde ist, ob Autor, ob Kritiker, ist morgen meist gründlich vergessen. So funktioniert der Markt. Das ist in Ordnung.
Das gilt auch für den diesjährigen Deutschen Buchpreisträger.