„ERST HABE ICH DIE SOLDATEN GESEHEN, ich stand da im Bauch meiner Mutter zwischen den Eisstangen, ich wollte mich festhalten und faßte an das Eis und rutschte und landete auf demselben Platz, klopfte an die Wand und keiner hörte.“
An Özdamars Prosa fesselt, dass mit jedem Wort – und sei es ein „und“ – sofort alles da und völlig gegenwärtig, weil tausendfach gebrochen ist: Jeder Blick, jeder Ton, jedes Geräusch, jede Farbe, jedes Gefühl, jedes Gelächter, jede Berührung, jedes Geknurre, jeder Geruch, jeder Gedanke. Özdamars Sprache geht durch alles hindurch und umgekehrt alles durch sie. Worte sind lockere Seilschaften, kalte und warme Einsamkeiten, lose Leserschaften. Kleist, Büchner, Lasker-Schüler, Brecht, Brasch. Umrisse, Übergänge, nie Verschmelzung, präsenzlose Präsenz überall. Nichts ist geborgt, nichts wirkt ausgeliehen. Es ist, als würde sie auf Schritt und Tritt auf etwas stoßen, jemandem begegnen und beständig ihre Breschen schlagen, Pfade anlegen, die jene, die sie liebt, nie betreten haben und die doch Abzweigungen sind, die ein bisschen in der Luft liegen, besser: hängen und zu Boden sinken und Spuren legen, wie gefallenes Geäst am Weg, von dem keiner mit Bestimmtheit sagen kann, wo genau es abgefallen ist, weil das am Ende egal ist. Es ist einfach bloß völlig da. Man schaut und hört hin. Das ist es, was ungemein fesselt. Zumindest mich.