Luzifer ist erbost, tobt und wütet in der Hölle, weil der Dreißigjährige Krieg von den Menschen beendet worden ist. Die höllischen Heerscharen warten ihm erschrocken auf. Ein Laster nach dem anderen – ja, richtig, die sieben Todsünden mit ihrer riesigen Verwandtschaft; da kommen einige Großfamilien zusammen- ziehen eines nach dem anderen vor dem schlafenden Auge des Simplicissimus vorbei, der wieder zum Eremit geworden ist. Man kann es ihm nicht verdenken. Dennn o Welt, wie bist du trügerisch, hochnäsig, verlogen, neidisch, rachsüchtig, habgierig, faul, verhurt, verfressen, versoffen, verschwenderisch usw. (Man kann das belibig in all die Untugenden übersetzen, über die Essayisten noch heute schreiben,, vom Snobismus über Demütigung bis hin zu Unanständigkeit..) Der Geiz, ein abgewrackter Greis auf einem alten Wolf, und die Verschwendung,seine aufgedonnerte Enkelin auf einem reich geschmückten schönen Pferd , geraten sich in die Haare darüber, wem von beiden der Vorrang gebührt. Der versammelte Höllenstaat beschließt, dass beide auf der Erde zwei Menschen verführen sollen. Wem das am besten gelingt, der soll den Vorzug vor dem anderen genießen und das nach Luzifer höchste Amt in der Hölle bekleiden. Am Ende machen Geiz und Verschwendung, wechselweise unterstützt von verwandten Lastern, ihre Sache vortrefflich und Simplicissimus weiß, nachdem er erwacht ist, noch immer nicht, wer den Wettlauf um die höchste Gunst Luzifers gewonnen hat.
Diese Kapitel gehören zu den schönsten in“ Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch“ (1668) von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.