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Brauchen die Öffentlich-Rechtlichen mehr Geld für überfällige Reformen?

Um es vorwegzunehmen: Ich höre täglich den Deutschlandfunk und halte öffentlich-rechtliche Medien für wichtig. Aus ihrer Systemrelevanz ergibt sich allerdings nicht, dass sie über die Frage der Gebührenhöhe mitentscheiden müssten. Vor einiger Zeit rechnete ein Moderator im Deutschlandfunk vor, dass der Sender höchstens 40 Cent von den aktuellen Rundfunkgebühren erhält. Leider vergaß er hinzuzufügen, dass man diesen Kleinstbetrag mit der Anzahl an Gebührenzahlern multiplizieren muss, um eine Vorstellung von den monatlichen Einnahmen zu bekommen. Davon werden natürlich nicht nur die Gehälter der Angestellten und die Beiträge der Freienbezahlt, sondern auch die Infrastruktur mit ihren laufenden Kosten. Astronomisch hohe Intendantengehälter sind offenbar trotzdem drin. Nötig sind sie nicht. Im Vereinigten Königreich wird über die Abschaffungg des Gebührenmodells nachgedacht. Ich glaube nicht, dass es die britische Demokratie aushebeln würde, falls es dazu käme.

Gerade erregt eine Petition auf change.org mit der Forderung nach Reformen und mehr Geld für öffentlich-rechtliche Medien in meinem Bekanntenkreis enormen Unmut. Denn sie wird als „Mogelpackung“ wahrgenommen. Ihre Initiatoren sind durch die Bank institutionell abgesicherte, gut verdienende und gut vernetzte Leute, die sich unter dem Label „Agora 21“ zusammengefunden haben. Mit guten Verbindungen zu ARD, ZDF, WDR, bpb, „Spiegel“, „Zeit“ etc. Der Verdacht einer Mobilisierung in eigener Sache ist nicht von der Hand zu weisen. Recht unverfroren setzen die Initiatoren die öffentlich-rechtlichen Medien auf eine Stufe mit medizinischem Personal – Rettungskräften, Pflegekräften, Krankenschwestern, Ärztinnen und Ärzten – und Supermarkt-Angestellten, die während der Corona-Pandemie ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzten, um Erkrankten zu helfen und die tägliche Lebensmittelversorgung abzusichern. Noch einmal: Hier mobilisiert die Beletage zugunsten der Beletage gegen die Entscheidungsbefugnis demokratisch legitimierter Gremien und streut den Leuten dabei noch Sand in die Augen! Partizipation bedeutet, dass die Einwohnerschaft Deutschlands nach den Regeln einer repräsentativen Demokratie an politischen Entscheidungsprozessen teilnimmt. Partizipation bedeutet aber nicht, dass ein Netzwerk, das man mit einigen Verrenkungen als zivilgesellschaftliche Initiative verstehen könnte, die definitiv nicht demokratisch legitimiert, sondern einfach ein elitärer Zusammenschluss Gleichgesinnter ist, solche Prozeduren unterlaufen können sollte!

Mir ist schon der Begriff „Agora“ suspekt, auch oder gerade weil er viel über das Selbstverständnis der Netzwerkler verrät. Er ist akademisch, kann in modernen Massendemokratien überhaupt nicht funktionieren – außer vielleicht auf kommunaler Ebene – und demonstriert eine ebenso lächerliche wie unappetitliche Bildungshuberei. Er passte in die antiken Stadtstaaten, in denen eine Elite von Besitzbürgern – keine Frauen, keine besitzlosen Freien, Sklaven schon gleich gar nicht – über öffentliche Angelegenheiten entschied, ab und an ein Scherbengericht veranstaltete und Leute in die Verbannung schickte.

Ja, die öffentlich-rechtlichen Medien haben Reformbedarf. Es war in den vergangenen Jahren auffällig, dass Regierungshandeln gern kritisiert wurde, wenn es den BDS-Beschluss des Bundestages von 2019 betraf, aber nie, wenn es um Angela Merkels Flüchtlingspolitik ging, die man mit Paul Collier https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Collier_(%C3%96konom) auch aus linksliberaler Perspektive hätte gründlich und knallhart infrage stellen können! Bei Collier geht es um nüchterne Fakten und die mit ihnen verbundenen Folgen, bei einigen Moderatoren und Moderatorinnen im DLF um moralischen Rigorismus, der sich selten um mehr als um die eigene Person dreht.

Zwei Beispiele aus den letzten Tagen: Gestern wurde drei Mal ein Bericht über die Unterbringung als „Flüchtlinge“ deklarierter illegaler Einwanderer in polnischen Einrichtungen gesendet. Die implizite Botschaft war unmissverständlich: Polen behandelt „Flüchtlinge“ schlecht. Der Bericht über die Geiselnahme in einer Synagoge in Texas wiederum blieb weitgehend unkommentiert. Warum ein in Großbritannien als Gefährder eingestufter Mann sich ausgerechnet eine Synagoge aussucht, um eine Islamistin aus US-Haft freizupressen, wurde nicht groß aufgeworfen, obwohl der Grund dafür eindeutig ist https://www.dailymail.co.uk/news/article-10408835/Professor-says-Texas-synagogue-terror-attack-inspire-Muslims-confront-growing-Jew-hatred.html. Hätte die DLF-Nachrichtenredaktion die üblichen Verdächtigen unter den Antisemitismusforschern angerufen, wären die Hörerinnen und Hörer übrigens kaum schlauer geworden. Leider. Der politische Islam, seine hiesigen Stützen und seine Verharmloser kommen als handfestes Problem – von sporadischen Interviews mit Susanne Schröter oder ahmad Mansour abgesehen – im Deutschlandfunk nicht vor.

Welche Ziele die antisemitische BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen) verfolgt, und dass es Jacke wie Hose ist, ob sie umzusetzen vermag, wofür sie wirbt, weil sie in der westlichen Welt vor allem massiven Judenhass sät und mobilisiert, scheint beim Deutschlandfunk noch immer nicht angekommen zu sein. Ja, selbstverständlich sind es der nicht selten staatlich geförderte Medien-, Wissenschafts-, Kunst- und Kulturbetrieb, in dem BDS hierzulande ihre Fans und Weichspüler gefunden hat. Dass dieser Umstand das gebetsmühlenartig wiederholte „Nie wieder“ unglaubwürdig macht, kommt den wenigsten in den Sinn. Es hilft nicht sehr, immer nur die historische Verantwortung Deutschlands zu beschwören, die zweifellos besteht. Wäre angebrachter, zu wissen, wann man es mit Antisemitismus zu tun hat und dass er vor allem für Juden tödlich ist, ohne dass man darauf hingewiesen werden muss.

Die Israel-Berichterstattung im Deutschlandfunk ist katastrophal und steckt voller Ressentiments. Ist so, als würde ein ausländischer Deutschland-Korrespondent ausschließlich die Perspektive von taz und NGO’s vermitteln. Kürzlich wurde ein Bericht über Administrativhaft und einen hungerstreikenden Palästinenser gebracht. Natürlich ließ der Berichterstatter eine Interviewpartnerin aussprechen, dass Israel die Schuld am möglichen Tod des Häftlings trage. War das die Information, die die deutsche Hörerschaft entnehmen sollte? Ich fühlte mich an die Antifolterkomitees aus RAF-Tagen erinnert, aus denen sich bekanntlich die zweite Generation rekrutierte. Informatives ließ sich dem Beitrag nicht entnehmen. Warum wurde er also gesendet?!

Für meinen Geschmack fehlt es im Deutschlandfunk schlicht an Basiswissen über den israelisch-arabischen Konflikt, ist zu viel – freundlich gesagt – unreflektierte Voreingenommenheit gegenüber Israel im Spiel. Palästinenser werden in der Regel viktimisiert und idealisiert. Auch das erinnert eher an die siebziger und achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts als an die Gegenwart. Das zu ändern, bedarf es keiner höheren Gebühren, sondern besserer Einsicht.