Jüngst erläuterte die Imamin Seyran Ates, Begründerin der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, wie sie in den Augen ihrer selbsterklärten Feinde gesehen wird: für den türkischen Präsidenten Erdogan sei sie Gülen-Anhängerin und PKK-Aktivistin, für die islamischen Gelehrten der Al-Azhar-Universität keine Muslimin, für das Islamische Zentrum Hamburg eine Islamfeindin und für Linke eine Rechte. Das vom Berliner Senat mitgeförderte Kulturzentrum „Oyoun“ und das von ihm mitorganisierte Filmfestival „Soura“, das einen Dokumentarfilm über die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gezeigt und eine sich anschließende Diskussion darüber geplant hatte, schob kürzlich eine angebliche Drohung von Islamisten vor, die in Wahrheit von Sponsoren des Kulturzentrums gekommen sein soll, um Ates und die Ibn-Rushd-Moschee erst auszubooten und dann in einem verlesenen Statement als „islamophob“ zu verunglimpfen. Wer die Sponsoren sind, die das gefordert hatten, ist öffentlich bislang nicht bekannt und am Ende unerheblich. Entscheidend ist, wie sich die Verantwortlichen der Kultureinrichtung und des Filmfestivals verhielten. Sie erhoben den Islamophobie-Vorwurf, um die Absage der Diskussionsrunde mit Ates‘ Mitarbeiter Tugay Saraç zu begründen. Sie bedauerten, den Film über die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee vorgeführt zu haben.
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Das Spielchen ist im Westen seit Jahrzehnten bekannt: Erheben Muslime im Westen ihre Stimme
gegen Islamisten, gibt es einen Aufruhr unter einem kleinen Teil einheimischer Muslime und ihrer linken Anwälte. Seyran Ates kennt das, seit si ihr zweites Buch veröffentlicht hat und Recep Tayyip Erdogan in der Türkei an der Macht ist. Als wortmächtige Anwältin weiß sie sich ganz gut zu wehren, benötigt aber die Unterstützung der hiesigen Politik und Zivilgesellschaft. Die Berliner Politik fördert aber die Islamisten und die Zivilgesellschaft versteht entwedernicht, worum es geht oder ist ihrerseits gespalten.
Was bezweckt der Islamophobie-Vorwurf?Wie sinnvoll ist der Begriff „Islamophobie“? Und wie absurd ist sein Gebrauch in Verbindung mit der Gründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee?
Der Vorwurf der Islamophobie hat die Stigmatisierung und Delegitimierung von Seyran Ates und ihres Reformprojekts eines an die westliche Moderne angepassten Islam zum Ziel. Der Vorwurf soll sie und ihre Mitstreiter einschüchtern und will den Rest der Welt davon abhalten, für sie Partei zu ergreifen. Die konservative Al-azhar-Universität spricht ihr zwar ab, Muslimin zu sein, kann aber für niemanden außer für konservative Muslime ein Maßstab sein. Erst recht nicht in Berlin, der Bundesrepublik und Europa. Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) ist das Sprachrohr des iranischen Mullah-Regimes, wird vom Verfassungsschutz beobachtet und vertritt hierzulande den politischen Islam. Gegen diesen wendet sich Ates, weshalb das Zentrum sie zur Islamfeindin erklärt hat. Außer für Islamisten kann das kein Maßstab sein. Für Erdogan ist sie groteskerweise das gerade Gegenteil, eine Anhängerin seines früheren Förderes Gülen. Außer für Erdogan-Anhänger, die es in der Bundesrepublik allerdings reichlich gibt, kann das kein Maßstab sein. Wo bleibt der Protest der Bezirksbürgermeister, wo der des Berliner Senats?
Pascal Bruckner hat überzeugend gezeigt,dass der Islamophobie-Begriff ein Kampfinstrument religiöser Fundamentalisten ist, weil er Rassismus, Diskriminirung undKritik an Glaubensgrundsätzen miteinander vermengt. Für ihre Feinde ist Seyran Ates eine Ausgestoßene im glauben, eine Häretikerin, wie Christen das formulieren würden. Das ist der Grund, weshalb sie der ohnehin gegenstandslose Vorwurf trifft.
Anders als andere Islamkritiker fordert Ates weder ein Kopftuchverbot noch will sie den Islam abschaffen. Sie ist Verfechterin des Berliner Neutralitätsgesetzes, das Staatsbediensteten ein neutrales Auftreten im Dienst abverlangt, also den Verzicht auf das Kopftuchwährend der Ausübung ihres Berufs. Privat können Lehrerinnen oder Juristinnen tun, was ihnen beliebt, das Kopftuch unter der Dusche, im Bett oder beim Spaziergang tragen. Man kann gern der Meinung sein, dass der Auftritt bei der österreichischen FPÖ nicht sonderlich diplomatisch gewesen ist, aber ganz gewiss nicht, dass er Seyran Ates zu einer Rechten macht. So wenig wie Hamed Abdel-Samad ein AfDler ist, weil er vor Jahren mal Gastredner auf einer ihrer Veranstaltungen war und die protestierenden Linken zur Teilnahme an dieser kontroversen Diskussion einlud.
Es wird langsam Zeit, dass die demokratischen Mitte-Parteien in diesem Land sich des Themas politischer Islam annehmen, damit unsere klügsten Köpfe ihre Auseinandersetzungen mit der Linken endlich vor politisch korrekten Auditorien führen können!