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Gendern? Wer will, sollte dürfen, wer nicht will, nicht müssen!

Inzwischen erreichen die Diskussionen um das Gendern schon meinen allerengsten Freundeskreis. Auch dort sind die Meinungen übers Gendern unterschiedlich wie im Rest der Gesellschaft. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich hinzufügen, dass niemand unter uns dafür plädiert, Sternchen zu setzen oder hörbare Pausen beim Sprechen zu machen. Wer das möchte, sollte es tun dürfen, meine ich. Zu erwarten oder gar zu fordern, dass sich alle dem anschließen, halte ich persönlich für verfehlt.

Menschen, die schreiben oder sagen „Hörer und Hörerinnen“ als „transphob“ zu beschimpfen und für reaktionär zu erklären, ist außer albern auch ein Zeichen für die Unfähigkeit, genau jene Ambivalenzen auszuhalten, die angeblich vermisst werden. Aus meiner Sicht gibt es bei geschlechtersensibler Sprache überhaupt keinen über das heute vorhandene Maß an Wahlmöglichkeiten hinausgehenden Regelungsbedarf. Erst recht keinen behördlichen bzw. staatlichen. Wer will, kann seine Geschlechterzugehörigkeit behördlich als „divers“ vermerken lassen, muss also keine Entscheidung mehr treffen, ob er dieses oder jenes sein möchte. Das ist gut so und war überfällig, um trans- und intersexuelle Menschen als solche anzuerkennen.

Mit den sprachwissenschaftlichen Debatten über die Frage der Repräsentation bin ich so leidlich vertraut. Ich halte dennoch Menschen, die beruflich und im Alltag das generische Maskulinum bevorzugen, weder für uneinsichtig noch für reaktionär. Warum auch?! Man kann weder ‚Kinder und Kinderinnen‘ sagen noch ‚Deutsche und Deutschinnen‘. Bedeutsam ist ohnehin, mit welchen Wertevorstellungen die Kinder aufwachsen und welches Verhalten Deutsche an den Tag legen. Dass Menschen, wenn sie das Wort „Arzt“ hören oder lesen, einen Mann assoziieren, könnte damit zu tun haben, dass es das Wort „Ärztin“ gibt. Eine frühere Kollegin von mir bestand wiederum darauf, dass ich sie als „Mathematiker“ bezeichne und nicht, wie ich es vorhatte, als „Mathematikerin“. Wenn ich fragen kann, frage ich. Geht das nicht, entscheide ich. Wenn wer das später kritisiert, ist das okay, ob ich es ändere, hängt davon ab, ob es möglich ist und falls das so ist, muss es einen Sinn ergeben, den ich einzusehen vermag.

Im Deutschen wird durch die Artikel ohnehin gegendert. Es käme auch kein Mensch auf die Idee, von „King Viktoria“ oder „Queen George“ zu sprechen, von „Bundeskanzlerin Willy Brandt“ oder „Bundeskanzler Angela Merkel“. Käm wer ins Amt, die oder der trans- oder intersexuell ist und wünscht, das aller Welt bekanntzumachen, müsste er oder sie sich entweder für eine der beiden sprachlichen Formen entscheiden oder es wird eine neue sprachliche Form für offizielle Anrede und Bezeichnung gefunden. Heute im Rock aufzutreten und morgen im Anzug mit Krawatte, könnte dann alltäglich werden. Von Belang und öffentlichem Interesse wird dann aber ohnehin sein, welche politischen Entscheidungen mit welchen Auswirkungen getroffen werden!