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„Renommierte“ Holocaustforscher gegen IHRA-Antisemitismusdefinition?

Heute Morgen überraschte der Deutschlandfunk – pünktlich zu Pessach – mit der Neuigkeit, „renommierte“ Holocaustforscher, Judaisten und Nahostwissenschaftler würden endlich Klarheit in die IHRA-Arbeitsdefinition zum Antisemitismus bringen und den Status quo anfechten. Man beachte: „RENOMMIERT“.

Das Attribut „renommiert“ kann man unterschiedlich gebrauchen. Man kritisiert zum Beispiel einen als dünnhäutig bekannten Wissenschaftler und will nicht schon an dessen Hochmut und Statusdünkel scheitern, weshalb man ihm oder ihr Renommee bescheinigt. Wolfgang Benz oder Aleida Assmann wären inzwischen Fälle dieser Art. Sie sind bekannt, kommen häufig in den Medien vor und oft auch selbst zu Wort. So ganz ironiefrei ist das vergebene Adjektiv „renommiert“ dann allerdings nicht.

Anders ist es, wenn man ehrliche Wertschätzung, aber in der jeweiligen Sachfrage zugleich Distanz signalisieren möchte. Man ist dann erstens sachkundig und hat dann zweitens gewöhnlich stichhaltige Einwände gegen die eine oder andere These im Werk, das als solches in seiner Relevanz nicht geschmälert wird. Mir geht es bei den glänzend geschriebenen, quellenkundigen, durchdachten, gehaltvollen und immer originellen Büchern von Götz Aly manchmal so. Aly weiß, worüber er spricht und liefert wichtige Beiträge zur Erforschung des Holocaust und zum Antisemitismus.

Gleichfalls ironiefrei gebraucht man das Wort „renommiert“, wenn man die Namen von Holocaustforschern wie Raul Hilberg, Saul Friedländer und Yehuda Bauer oder Antisemitismusforschern wie Robert S. Wistrich mit diesem Beiwort versieht.

In der Unterzeichnerliste der hochtrabend als „Jerusalemer Erklärung“ ausgegebenen Kampagne gegen die IHRA-Arbeitsdefinition zum israelbezogenen Antisemitismus findet sich kein einziger ironiefrei als „renommiert“ geltender Holocaust- und Antisemitismusforscher. Wolfgang Benz führt seit dreizehn Jahren einen traurigen Kritikabwehrkampf infolge seines haltlosen Vergleichs von Antisemitismus und Islamophobie. Aleida Assmann war noch nie Holocaust- oder Antisemitismusforscherin. Es gibt dann noch eine Handvoll Promis wie Sander Gilman oder Michael Walzer, aber sonst handelt es sich um die üblichen Aktivisten im Betrieb, gefolgt von einer Menge Stelleninhabern und -inhaberinnen.

Warum der Deutschlandfunk die Unterzeichner als „renommierte“ Holocaust- und Antisemitismusforscher, Judaisten und Nahostwissenschaftler bewirbt, bleibt sein Geheimnis. Christiane Habermalz, die den heutigen Beitrag verantwortet, kann man nach ihren vielen distanzlosen Beiträgen in der Causa inzwischen als Akteurin bezeichnen: Von der euphorischen Buchbesprechung „Streitfall Antisemitismus“ über das Lancieren des Plädoyers „Initiative GG 5.3, Weltoffenheit“ und dem Interview mit Hanno Loewy dazu bis hin zur heutigen Kampagne für die Salonfähigkeit von BDS spürt man jene Obsession für die Sache der Palästinenser, um die es in der neuesten Aktion im Kern geht.

Von Sachlichkeit, Stichhaltigkeit oder Relevanz kann kaum gesprochen werden, wenn Wissenschaftler und Politiker, welche die IHRA-Antisemitismusdefinition für praktikabel halten, des „Fetischisierens“ beschuldigt werden, ergänzt um den Vorwurf, sie würden alle, die das nicht tun, als Israelfeinde beschimpfen. „Tollhaus“ und „ignorieren“ war ein in meinem Postfach heute Morgen nicht seltener Kommentar zur Causa. Und weil das zutrifft, wünsche ich allen nur noch ein schönes Pessachfest und Frohe Ostern!